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Dorothee Elisabeth Tretschlaff

Dr. Katrin Moeller: „Der Fall Tretschlaff“

Auftakt Themenwoche, Fergitz Kirche: Samstag, 11.09., 14:00, Dr. Katrin Moeller

Die Kirche in Fergitz war voll besetzt – vor allem Dorfbewohner und Uckermärker aus den umliegenden Ortschaften bis hin nach Prenzlauern hörten den Vortrag von Dr. Katrin Moeller, Leiterin des Datenzentrums Sachsen-Anhalt an der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg.
Die Historikerin, die eigens für den Vortrag anreiste, wurde von der Gastkuratorin des UM-Festivals Dr. Christina Rosnersky, vorgestellt.
Moellers Vortrag räumte zum einen mit Vorurteilen auf: es habe 9 Millionen weibliche Opfer gegeben (in der Realität waren es ca. 40.000 – 60.000 Männer, Frauen und Kinder, die der Hexenverfolgung in Europa zum Opfer gefallen sind), es habe sich um weise Frauen gehandelt, die Magie beherrschten (die meisten Opfer waren einfache Menschen, die bezichtigt wurden mit dem Teufel im Bunde zu stehen – so wurde oft auf unererklärliche Vorkommnisse, Missernten, erkrankte Tiere reagiert – Nachbarn zeigten sich an), die Kirchen waren schuld (die Prozesse wurden von weltlichen Gerichten nach einer genau festgelegten Rechtsordnung (Carolina) abgehalten), die Hexenverfolgung habe im Mittelalter stattgefunden (sie begann nach dem Ende des Mittelalters in der frühen Neuzeit von ca. 1500 – ca. 1750)…

Zum Fall der gerade fünfzehnjährigen Magd Dorothee Elisabeth Tretschlaff sind bisher keine Prozessakten auffindbar, lediglich ein Bericht des Hof- und Landrichters der Uckermark Thomas Böttcher, der über die Rechtmäßigkeit des angestrengten Prozesses sowie die übereilten Hinrichtung urteilte, fand sich im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Der Bericht wurde durch die Berliner Regierung unter Friedrich I. bereits wenige Tage nach der Enthauptung Dorothee Elisabeth Tretschlaffs angefordert. Allein diese Tatsache zeigt, dass die schnelle Hinrichtung 1701 längst kein unbestrittener Vorgang mehr war. Nicht nur die Landesregierung schenkte der Hinrichtung Aufmerksamkeit, auch in den Gasthäusern und Krügen wurde öffentlich über den Prozess und das Urteil diskutiert. Thomas Böttcher kritisierte denn auch das Verfahren, da er in der Jugendlichen viel weniger eine gefährliche Hexe als eine melancholische, selbstmordgefährdete junge Frau erblickte, deren Möglichkeiten zur Verteidigung gegen den Hexenprozess nicht genügend berücksichtigt worden waren. Allerdings konnten sich die Verantwortlichen des Verfahrens, der Inhaber der Jurisdiktion Obristleutnant von Münchow sowie der von ihm beauftragte Richter und Fiskal Friedrich Roth, von jedem Verdacht eines regelwidrigen Verfahrens reinigen.

Schadenszauber blieb im Prozess gegen Dorothee Elisabeth Tretschlaff völlig unwichtig. Der Teufel soll ihr zwar Geld und einen Kürbis gebracht haben, eine Schädigung anderer war damit jedoch nicht direkt verknüpft. Stattdessen dominierten Schilderungen rund um die Buhlschaft mit dem Teufel oder dämonische Erscheinungen, die die Realität des Teufelspaktes zu bekräftigen scheinen. Das Mädchen berichtete wie der Teufel sie mit viel Geld in den Taschen immer wieder aufsuchte und verführte, ihr etwas davon schenkte, ihr bei helllichten Tage im Beisein anderer beim Fliederpflücken auf der Geige vorspielte. Zur Buhlschaft soll es gekommen sein, als sie gemeinsam mit anderen Mägden krank im Bett lag. Ganz den theologischen Vorstellungen vom zeugungsunfähigen Teufel entsprechend, floss dabei allerdings kein Samen. Böttcher zweifelte aufgrund der vagen Aussagen allerdings an der Wahrhaftigkeit der Buhlschaft. Diese Mägde berichteten von einem merkwürdigen Hasen unter dem Bett der Angeklagten, vom Teufel in Gestalt einer Schmeißfliege, der brummend durchs nächtliche Zimmer flog und einem Gespenst. Immerhin gab es innerhalb des Verfahrens Versuche, die Realität dieser Aussagen zu prüfen. So erzählte das Mädchen, sie habe eine vom Teufel erhaltene Münze in der Wand des alten Wohnhauses versteckt. Das Gericht konnte dieses Geld jedoch nicht finden.

Ob sich mit diesen Aussagen in codierter Form Bezüge zum Alltag und zum Erleben Dorothee Elisabeth Tretschlaffs finden lassen oder ob sie lediglich das verworrene Ergebnis einer rigiden Verhörssituation sind, bleibt angesichts der wenigen Details gänzlich offen.

Dr. Katrin Moeller machte auch klar, dass es in Dorothees Fall von 1701 keine eindeutigen Hinweise darauf gibt, was der konkrete Auslöser für die Tod bringende Anzeige war – möglicherweise wird es jedoch noch möglich sein, die eigentlichen Gerichtsakten in den Archiven Brandenburgs zu finden.

Die Historikerin beendete ihren Vortrag mit einem Aufruf zum Nachdenken über nachbarschaftliche Verhältnisse – wie gehen wir miteinander um, wie reagieren wir auf Probleme?

Wer sich eingehender mit der Arbeit von u.a. Dr. Katrin Moeller beschäftigen möchte, kann sich im Internetportal historicum.net informieren. Unter dem Link Hexenverfolgung finden Sie zahlreiche gut lesbare Abhandlungen einzelner Aspekte der Hexenverfolgung, wie auch einen Gesamtüberblick.